hamburg@political-prisoners.net hat am 1. Oktober 2017 um 15:33 geschrieben:
Veranstaltung
zu den tot aufgefundenen Gefangenen aus der RAF in den Knästen
Stuttgart-Stammheim und München-Stadelheim Herbst 1977
Und was bedeutet das für uns heute?
2 Veranstaltungen mit Zeitzeug*innen
Bremen
Dienstag, den 17.Oktober
19:00 Uhr
Paradox, Bernhardstr.12
Hamburg
Sonntag, den 22.Oktober
18:00 Uhr
Centro sociale
Sternstraße 2 (Nähe U-Bahn Feldstraße)
Am
18.10.2017 jährt sich der Tod der Gefangenen aus der RAF, Andreas
Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Knast Stuttgart-Stammheim
zum vierzigsten Mal.
Am
Morgen des 18. Oktober 1977 wurden Andreas und Gudrun tot, Jan-Carl und
Irmgard Möller schwer verletzt in ihren Zellen aufgefunden. Jan stirbt
wenige Stunden später.
Sofort
wird die offizielle Version des Selbstmordes verbreitet. Irmgard, die
einzige Überlebende, sagte am 16.1.78 vor dem Untersuchungsausschuss des
Landtages Baden-Württembergs aus:
"Für
uns war klar, Selbstmord ist nicht Sache. Wir sind entschlossen zu
kämpfen … Ich habe mir die Verletzungen nicht selbst beigebracht."
( Pieter Bakker Schut u. a. (Hrsg.): Todesschüsse, Isolationshaft, Eingriffe ins Verteidigungsrecht, Seite 274)
Vier
von den elf Gefangenen, die durch das Kommando Siegfried Hausner (1),
befreit werden sollten, überlebten die Haft nicht. Am 12. 11. 77 wurde
Ingrid Schubert, auch noch eine weitere aus der RAF Gefangene, in
München-Stadelheim tot aufgefunden.(2)
Für
den Staat war es natürlich auch "Selbstmord". So wurde die staatliche
verordnete "Wahrheit", die bis heute nie objektiv bewiesen werden
konnte, zur herrschenden Wahrheit, die sich über die bürgerlichen Medien
in die Köpfe der Menschen fraß.
Alle
Menschen und Initiativen hier in Deutschland , die das öffentlich in
Frage stellten, wurden und werden kriminalisiert. Deshalb wurden nach
dem 18.10.77 über 40 Menschen verhaftet, sie sich solidarisch zu den
Gefangenen und der Guerilla verhielten:
Anwält*innen, Angehörige, Drucker*innen, Besucher*innen, Aktivist*innen...
Zu den Hintergründen
Trotz
diverser Hungerstreiks gegen die Vernichtungshaft war 1977 die geplante
Zerstörung der Gefangenen durch Isolationshaft in den
Hochsicherheitstrakten, die absehbaren Verurteilungen zu lebenslänglich
bis mehrfach lebenslänglich, und die Tatsache, dass 4 Gefangene den
Knast bis zu dieser Zeit nicht überlebt hatten, offensichtlich.
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Holger Meins befand sich seit dem 19.09.74 im Hungerstreik und starb
9.11.74 durch systematische Unterernährung und Zwangsernährungsfolter.
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Siegfried Hausner nahm am 25.4.75 als Mitglied des Kommandos Holger
Meins am Versuch der RAF teil, über die Einnahme der deutschen Botschaft
in Stockholm die Gefangenen aus der RAF zu befreien. Nach der Stürmung
durch die Polizei wurde er schwerverletzt nach Stammheim gebracht, wo er
auf Grund der fehlenden medizinischen Versorgung am 4.5.75 starb.
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Katharina Hammerschmidt starb draußen am 29.6.75 an den Folgen eines
kindskopfgroßen Brusttumors, der im Knast nicht behandelt wurde.
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Ulrike Meinhof wurde am 9. Mai 76 tot aufgefunden in ihrer Zelle in
Stuttgart-Stammheim . Eine „Internationale Untersuchungskommision“ kam
zu dem Schluß, „dass Ulrike...(schon) tot war, als man sie aufhängte“
Das alles veranlasst die RAF, die Befreiung der GenossInnen zum Ziel der Offensive 1977 zu machen.
Die Offensive 1977
Am
07. April 1977 wurde Generalbundesanwalt Buback von dem RAF-"Kommando
Ulrike Meinhof" erschossen. Die Aktion nahm Bezug auf den Tod von
Holger, Siegfried und Ulrike, für die Buback damals als
Generalbundesanwalt, zuständig für die Haftbedingungen der Gefangenen,
verantwortlich war.
Am 30.07.77 misslang die Entführung des Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, der dabei erschossen wird.
Am
5. September 1977 entführte das "Kommando Siegfried Hausner"
Hanns-Martin Schleyer. Das Kommando forderte die Freilassung von 11
Gefangenen aus der RAF. Schleyer sollte freigelassen werden, wenn diese
Eingekerkerten in ein Land ihrer Wahl ausgeflogen werden.
Schleyer
war Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), des
Bundesverbandes der Arbeitgeberverbände (BDA) und Vorstandsmitglied von
Daimler-Benz, war eine der mächtigsten Persönlichkeiten der BRD, ("Boss
der Bosse") mit einer allerdings von der Presse immer verschwiegenen
bzw. verharmlosten Nazikarriere. Er war bereits 1931als 16jähriger der
faschistischen Bewegung beigetreten. Als Leiter des NS-Studentenwerks
war er an der Gleichschaltung der Universitäten und der Entfernung der
jüdischen und antifaschistischen StudentInnen beteiligt. Später wurde er
Leiter des Präsidialbüros im Zentralverband der Industrie für Böhmen
und Mähren und war dort für die wirtschaftliche Eingliederung des
tschechoslowakischen Industriepotentials in die deutsche
Kriegswirtschaft zuständig.
Trotz
Schleyers hohen Führungspositionen war die Bundesregierung zu keiner
Zeit bereit gewesen, auf den vorgeschlagenen Austausch einzugehen.
Schleyer sollte gefunden und befreit werden. Es wurde eine totale
Nachrichtensperre verhängt. Außerdem wurde die Kontaktsperre für die ca.
100 politischen Gefangenen eingeführt: jeglicher Kontakt, auch zu den
Anwält*innen, wurde untersagt, Radio und Zeitungen wurden entzogen. Die
Totalisolierten waren damit gänzlich dem Staat ausgeliefert, der sogar
in Erwägung zieht, Gefangene zu erschießen: jeweils einen für jeden
Toten, den es draußen gab. Diese Maßnahmen wurden nicht nur von
Reaktionären wie dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten
Franz-Josef Strauss oder von Bubacks Nachfolger Rebmann gefordert,
sondern auch von seinem sozialdemokratischen Kollegen Heinz Kühn.(Welt
14.9.77) Auch der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt forderte
indirekt solche Maßnahmen:
„Der Staat muss daraufhin mit aller notwendigen Härte antworten" und
„Ich bitte die Herren, doch jetzt auch einmal exotische Gedanken auszusprechen, was wir machen sollen“
Gleichzeitig
wird eine totale Fahndung eingeleitet. So werden an wichtigen
Verkehrsknotenpunkten Datenfunkstationen aufgestellt, über die alle
vorbeifahrenden KraftfahrerInnen im Alter zwischen 30 - 35 Jahren über
Interpol abgefragt werden. Das BKA verlangt Vertragsdurchschläge von
allen in der BRD gekauften PKWs, in Köln werden alle Stromabnehmer auf
ihre polizeiliche Meldung hin überprüft.
Am
13. Oktober 1977 wurde die Lufthansa-Boeing 737 "Landshut" mit 86
Passagieren während eines Fluges von Mallorca nach Frankfurt von einem
palästinensischen Kommando entführt. Auch sie verlangten die Freilassung
derselben 11 Gefangenen aus der RAF wie auch das Kommando Siegfried
Hausner, zusätzlich noch die Freilassung von zwei Gefangenen aus der
"Popular Front for the Liberation of Palestine" aus einem türkischen
Gefängnis und ein Lösegeld von 15 Millionen US-Dollar an die
Freigelassenen. Die Regierung lehnte die Forderung ab. In der Nacht zum
18. Oktober wird die Lufthansamaschine in Somalia auf dem Flughafen von
Mogadischu durch ein Kommando der GSG 9, einer Bundesgrenzschutzeinheit,
gestürmt. Die Mitglieder des Kommandos wurden, bis auf eins, Souhaila
Andawes, getötet.
Der Kampf nach 1977
Nach
der Offensive der RAF 1977 wurden im Rahmen der staatlichen
Kill-Fahndung kaum noch Gefangene mehr gemacht. Bis Juni 1979 wurden im
Zuge der Fahndung drei Gesuchte erschossen: Willy Peter Stoll, Michael
Knoll und Elisabeth van Dyck. Rolf Heißler überlebte schwer verletzt.
Die
RAF führte trotzdem den Kampf für Befreiung politisch und bewaffnet
weiter u.a.vor allem mit der Stadtguerillagruppe Action Directe aus
Frankreich, aber auch mit Militanten aus der BRD im Rahmen des
„Frontkonzepts“(3), bis zur ihrer Auflösung 1998.
Wie sieht es heute aus?
Die
Lebensbedingungen in der „3. Welt“ haben sich für die überwiegenden
Teile der Bevölkerung verschlechtert, aber auch in den reichen Staaten
des Nordens, den Metropolen, in den letzten 50 Jahren auch dort
teilweise verschlimmert.
Was hat das mit heute zu tun?
Wir berichten heute über den 18.10 1977.
Unsere Fragen dazu:
Obwohl
wahrscheinlich viele zu dieser Zeit noch nicht geboren bzw. nicht
politisch aktiv waren, was verbindet ihr mit diesem Ereignis?
Wie bewerten wir das für die heutigen Kämpfe?
Welche Bedeutung hat die damalige Zeitepoche für uns heute noch und für einen neuen Aufbruch?
All diese Überlegungen stellen wir in den Zusammenhang mit:
Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen und weiter entwickeln!
Das kann wichtig sein für einen weiteren und neuen Aufbruch hier und international!
Gruppe Vorwärts und nicht vergessen!
1. Am 5.9.1977 entführte dieses Kommando der RAF Schleyer und forderte die Freilassung von 11 Gefangenen aus der RAF.
2.Obwohl sie in ihrer Isolationszelle in Minutenabständen observiert wurde, wurde sie erhängt aufgefunden.
3.RAF-Schrift „Guerilla, Widerstand und antiimperialistische Front vom Mai 1982.