UN besorgt über exzessive Gewalt von israelischen Soldaten gegen Palästinenser und zunehmende Tötungen
(PN) 13.02.2018 – In seinem Monatsbulletin für Januar 2018 hat OCHA, das Büro
für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten
Nationen, den Anstieg von Tötungen und Verwundungen von Palästinensern
durch israelische Soldaten als besorgniserregend notiert und von
„exzessiver Gewalt“ gesprochen. Bis zum 30. Januar 2018 waren 20
Palästinenser und ein Israeli getötet worden, mehr als 5.100
Palästinenser und 17 Israelis wurden verwundet.
Von den getöteten Palästinensern kamen 17 während
Protesten gegen die Erklärung des amerikanischen Präsidenten zu
Jerusalem oder während einer der mehr als 650 Durchsuchungs- und
Verhaftungsaktionen der israelischen Armee ums Leben. Acht Palästinenser
wurden in der Westbank getötet und neun im Gazastreifen. Vier der
Getöteten waren palästinensische Kinder im Alter von 16 Jahren.
Auf die Proteste gegen Trump und seine
Jerusalem-Entscheidung am 6. Dezember reagierte die israelische Armee
mit Tränengaskanonen, dem Einsatz von gummiummantelten Stahlkugeln und
scharfer Munition sowie physischer Gewalt.
Die meisten palästinensischen Verletzten durch
israelische Soldaten in der Zeit seit der Erklärung von Präsident Trump
bis Ende Januar gab es der UN zufolge im Bezirk Nablus. Hier verwundete
die Armee 1.122 Palästinenser. In Jericho wurden 760 Palästinenser
verletzt, in Ramallah 606. In Tulkarm, in der nordwestlichen Westbank,
wurden 481 Palästinenser von israelischen Einsatzkräften verwundet, in
Jerusalem 338. Im Gazastreifen inklusive Gaza Stadt erlitten 726
Palästinenser Verletzungen bei Zusammenstößen mit der Besatzungsmacht.
Im an der Grünen Linie gelegenen Qalqiliya in der Westbank waren 305
Verletzte zu beklagen. Die meisten der über 5.100 verwundeten
Palästinenser wurden durch intensiven Tränengaseinsatz verletzt und
benötigten medizinische Versorgung, gefolgt von Verletzungen durch
Gummistahlgeschosse und scharfer Munition.
Die Hälfte aller Tötungen von Palästinensern erfolgte
im Gazastreifen durch Schüsse israelischer Soldaten, die auf der anderen
Seite des Grenzzaunes positioniert waren. Hier kam es auch zu 21
Prozent aller Verwundeten innerhalb des Zeitraumes. Brennpunkte in der
Westbank, an denen es zu Gewalt seitens der israelischen Einsatzkräfte
gegen Palästinenser kam, waren der Kontrollpunkt Huwwara bei Nablus,
Beit El bei Ramallah, Qalandiya in Jerusalem sowie Gilo bei Bethlehem,
ferner die von Israel kontrollierte Stadt Hebron, der Eingang zu Jericho
und einige Eingänge zur Altstadt von Jerusalem.
Höchste Zahl der Verletzten im Dezember 2017
Vom Gazastreifen aus wurden zahlreiche Raketen und
Granaten von nicht mit der Hamas verbundenen palästinensischen
Gruppierungen auf Israel abgeschossen. Nur eine geringe Zahl davon
landete tatsächlich in Israel und verursachte geringen Schaden und
keine Verletzten, zahlreiche gingen schon innerhalb des Gazastreifens
wieder runter oder wurden durch die Luftabwehr Israels unschädlich
gemacht. Im Gegenzug flog Israel Luftangriffe auf militärische Ziele im
Gazastreifen, tötete dabei drei Palästinenser, darunter auch einen
Zivilisten, und verletzte 25 Zivilisten, darunter neun Kinder.
Die höchste Anzahl von Palästinensern, die durch
israelische Einsatzkräfte in nur einem Monat verletzt oder getötet
wurden, gab es im Dezember 2017 mit 4.574 Verwundeten und 14 Toten. Dem
folgte der Monat Juli 2017 mit 1.771 verletzten Palästinensern und
ebenfalls 14 Toten.
In Bezug auf die Tötungen von Palästinensern bei
Zusammenstößen am Grenzzaun des Gazastreifens, bei dem israelische
Soldaten unter anderem einen beinamputierten Palästinenser im Rollstuhl mit einem Kopfschuss töteten, obwohl er nicht die geringste Gefahr darstellte, zeigte sich der Hohe Kommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen entsetzt
und sah Anhaltspunkte dafür, „dass die Gewalt, die von den israelischen
Einsatzkräften ausging, nicht der Gefahrenlage entsprach“. Der Hohe
Kommissar der UN forderte Israel auf, eine unabhängige Untersuchung
einzuleiten in Bezug auf erlittene Verletzungen oder Tod mit dem Ziel,
„die Verantwortlichen für begangene Verbrechen zur Verantwortung zu
ziehen.“
In diesem Zusammenhang verweist OCHA in seinem Monatsbulletin auch auf die Tötung des 16jährigen Mus’ab Tamimi
in Deir Nidham am 3. Januar 2018. Der Minderjährige war bei
Auseinandersetzungen mit israelischen Soldaten von diesen getötet
worden. Augenzeugen zufolge hatten die Soldaten mit scharfer Munition
auf Steine neben den Jugendlichen geschossen, um diese vom Steinewerfen
abzuhalten. Daraufhin hatten die Jugendlichen mit dem Werfen aufgehört
und sich am Straßenrand in Deckung gebracht. Der 16jährige Mus’ab Tamimi
trat dann auf die Mitte der Straße hinaus, um zu sehen, wo sich die
Soldaten aufhielten und wurde von einem sich in sicherer Entfernung
hinter einem Olivenbaum versteckenden Soldaten ohne Vorwarnung mit
scharfer Munition beschossen. Dabei wurde seine Halsschlagader zerfetzt.
Er starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.